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Forschungsergebnisse nach 12 Jahren ELTERN-AG

»Das Präventive sollte als das Kurative von morgen verschrieben werden.«

 

Politiker denken nur in Legislaturperioden – Warum es dennoch aus politischer und ökonomischer Sicht sinnvoll ist, einen Zaun um den Brunnen zu bauen, bevor das Kind hineingefallen ist.

Gespräch vom 07.12.2015 mit Wencke Thiemann, Teamleiterin der ELTERN-AG, und mit Gründer Meinrad Armbruster.

Undine Zimmer: Was macht die ELTERN-AG mit den Eltern?
Wencke Thiemann: Ein wichtiges Thema ist das Selbstbewusstsein. Wenn ich ein selbstbewusster Mensch bin, kann ich auch mit vielen Stresssituationen besser umgehen. Ein Beispiel: Ein Kind fängt in der Straßenbahn an zu schreien. Die Mutter kann das Kind nicht beruhigen, sie wird von anderen Personen angeschaut, jemand schüttelt eventuell schon mit dem Kopf. Ich habe schon ganz oft gehört, dass unsere Eltern die Bahn verlassen und die nächsten 5 Kilometer zu Fuß laufen, weil sie nicht möchten, dass irgendjemand sie anstarrt und sie oder ihn für eine schlechte Mutter oder einen schlechten Vater hält. Wenn die Eltern jedoch selbstbewusst sind und Methoden aus der ELTERN-AG kennen, durch welche sie das Kind ablenken oder beruhigen können, gehen sie mit dieser stressbelasteten Situation viel besser um.

Meinrad Armbruster: Und diese ausgeglicheneren Eltern, die mehr Selbstbewusstsein haben, die auch denken, dass sie Stärken haben, geben das an ihre Kinder weiter. Es ist sehr schön zu sehen, dass das funktioniert. Man sieht, man darf nicht nur die Kinder fördern. Das ist sehr wichtig, keine Frage, aber wenn man die Eltern nicht mitnimmt, dann verlangsamen sich die Effekte oder entwickeln sich zum Teil auch wieder zurück.

»Diese ausgeglicheneren Eltern, die mehr Selbstbewusstsein haben (…), geben das an ihre Kinder weiter. Es ist sehr schön zu sehen, dass das funktioniert.«

UZ: Warum ist gemeinsam Spaß haben so wichtig für den Erfolg der ELTERN-AG?
MA: Es wird in den ELTERN-AGs viel gelacht. Dabeisein fühlt sich sehr leicht an und die Eltern haben nicht das Gefühl, dass sie geschulmeistert werden, sondern eher, dass sie mit anderen in einem wirklich guten Gespräch sind. Das sind ein Stück weit geleitete Gespräche, für die die Mentoren von uns entsprechend ausgebildet werden, damit es nicht in einen Kaffeeklatsch übergeht. Wenn jemand von Pädagogik wenig Ahnung hat, hat er oder sie vielleicht das Gefühl, dass wir Kaffee trinken, uns gut fühlen und spielen und vielleicht noch basteln. Wir würden für uns natürlich in Anspruch nehmen, dass wir ein Elternkurs sind, und dass wir an Hand von sehr gut durchdachten Strategien die Eltern dazu bringen, sich immer wieder mit Themen, wie: Mein Kind und ich; Wie wird unsere Interaktion besser?; Wie können wir Stress vermeiden? und so weiter, auseinanderzusetzen. Diesen Anspruch haben wir immer im Hinterkopf, aber das tragen wir nicht vor uns her.

UZ: Warum ist Prävention so wichtig?
MA: Das achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII) für Kinder- und Jugendhilfe unterscheidet in Pflichtleistung und Kannleistung. Dadurch, dass die öffentlichen Haushalte immer mehr abgeschmolzen wurden, gibt es eigentlich nur noch Geld für Pflichtleistungen. Da ist es so, dass durch eine Reihe von sehr gravierenden Vorfällen die Jugendämter auch restriktiver werden. Die möchten keine Fehler mehr machen, also sprich: tote Kinder. Da wird dann Geld in die außerhäusliche Unterbringung investiert, was sehr teuer ist. Ein Kinderheimplatz kostet um 4000 Euro im Monat. Häufig wird die Herausnahme des Kindes aus seiner Familie dem vorgezogen, dass man den Familien sehr frühzeitig Angebote macht, wenn Risikofaktoren da sind. Hier wird zu wenig Geld ausgegeben. Wenn dann Gefahr in Verzug ist, wird Geld ausgegeben und zeitgleich eine kurzsichtige Politik gemacht.

Die ELTERN-AG legte von Anfang an Wert auf wissenschaftliche Begleitforschung. Die Ergebnisse der Forschung und die Erfahrungswerte der Mentoren aus 12 Jahren ELTERN-AG zeigen:

Ausgeglichenere Kinder: Ausgeglichene Eltern haben selbstbewusstere und ausgeglichenere Kinder. Dies wurde wissenschaftlich nachgewiesen, indem die emotionale Entwicklung der Kinder gemessen wurde. Emotionale Entwicklung ist eine wichtige Voraussetzung auch für die Schullaufbahn. Hier werden Durchhaltevermögen und die Frustrationstoleranz sichtbar. Ohne diese beiden Fähigkeiten hat ein Kind im Raster der Schule von Anfang an schlechte Karten. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger ist dies wieder geradezubiegen. Bei Kindern von Eltern, die an einer ELTERN-AG teilgenommen haben, hat sich der Wert signifikant verbessert. Die Kinder von ELTERN-AG-Eltern erreichen Werte, die vergleichbar sind mit Kindern des Normbereiches, während sie vor Teilnahme der ELTERN-AG unterdurchschnittlich entwickelt waren.

Selbstbewusstsein: ELTERN-AG-Eltern werden selbstbewusster. Das wurde auch durch die Mitarbeiter von Kinderbetreuungseinrichtungen, die mit den ELTERN-AGs kooperierten, zurückgemeldet.

Offener für Angebote:  ELTERN-AG-Eltern sind offener für Hilfe und Beratungsangebote zum Beispiel von sozialen Einrichtungen und Beratungsstellen.

 Weniger sozial isoliert: ELTERN-AG-Eltern sind weniger sozial isoliert, denn sie bleiben untereinander vernetzt. 80 Prozent der Eltern treffen sich noch ein Jahr nach Ende der ELTERN-AG selbstorganisiert.

Weniger Stress:  ELTERN-AG-Eltern haben weniger Stress und können besser mit Stress umgehen.

 

Die ELTERN-AG wurde mehrfach ausgezeichnet.

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